Ines Doujak
SchwesterSchwester
Eröffnung: Freitag, 13. September – 12 bis 19 Uhr (die Künstlerin ist anwesend)
verlängerte Öffnungszeiten: Samstag, 14. September 11 bis 19 Uhr
24. Oktober, 18 Uhr – meet the artist | talk
8. November – Gallery Tour der Vienna Art Week
15. November, 16 Uhr bis 19 Uhr – Finissage
„Bei der Schau SchwesterSchwester von Ines Doujak handelt es sich um die erste Einzelpräsentation der in Klagenfurt geborenen Künstlerin in der GALERIE3. Seit über 30 Jahren inszeniert Doujak Performances und Installationen, schafft Skulpturen, Fotografien und Filme, schreibt Liedtexte und erarbeitet Publikationen. Ihre Werke wurden weltweit ausgestellt, unter anderem bei der Liverpool Biennale (2021), bei Bergen Assembly (2019), der São Paulo Biennal (2014), der Busan Biennale (2012) und der documenta 12 (2007). Hinzu kommen bedeutende Personalen, unter anderem in der Kunsthalle Wien (2021/2022), dem MMKK in Klagenfurt (2023) und dem Lentos Kunstmuseum Linz (2018).
Für die in SchwesterSchwester ausgestellten Werke kombiniert Doujak Gefundenes, Geschenktes und Gekauftes – Unnützes, das sich über die Jahre angesammelt hat und das die Künstlerin zu wundersamen Assemblagen transformiert: seien es hunderte schwarz angemalte Marillenkerne, ein Mammutknochen, eine Musikrolle oder eine Marionette, deren Bein nur noch am seidenen Faden hängt. Auch von der Künstlerin wiederentdeckte analoge Fotografien aus ihrer späten Studienzeit sind in der Ausstellung vertreten.
Im hinteren Bereich der Galerie ist eine Auswahl der prominenten Serie Geistervölker (seit 2015) zu sehen, die in diesem Jahr auch bei CARA in New York gezeigt wurde. In den Collagen beschäftigt sich die Künstlerin mit der globalen Verbreitung von Viren und damit zusammenhängenden kolonialen Strukturen und Unterdrückungsmechanismen. Dabei greifen Menschliches und Tierisches, Pflanzliches und Anorganisches ineinander und verbinden sich zu hybriden Kreaturen, die von großer Ambivalenz geprägt sind. So setzen Doujaks Werke eine Energie frei, die düster ist und spielerisch zugleich. Sie umgibt ein exzentrisches Flirren, das in seinem unheimlichen und doch verführerischen Sog tief in der Magengrube zieht, und das nichts mit idealistischer Ganz- und Reinheit zu tun hat. Stattdessen werden das Brutale und Unkontrollierbare, das rohe Fleisch der Dinge und seine abseitigen Blüten in den Fokus genommen.
Zwar im Fiktiven verortet, sind die Arbeiten der Künstlerin weit entfernt von einer eskapistischen Weltflucht. Im Gegenteil – mit den Mitteln der Montage und des Grotesken bricht sich ein ganz eigener Realismus Bahn, der abstrakte globale Machtverhältnisse im Abjekten und Außenseiterhaften konkret werden lässt. Dabei zündelt die Künstlerin mit dem Emporheben des Randständigen direkt im Herzen unseres Systems, adressiert und dekonstruiert ausbeuterische Strukturen, Klassismus und normative Geschlechtsidentitäten. Auf der Suche nach Formen des Widerstandes mobilisiert Doujak immer wieder Zeichen des politischen Aktivismus, von Kollektivität und Solidarität. Der Schriftzug „Class Hatred“ auf dem Gewand eines Puppen-Ensembles verweist auf die Unterdrückung der Arbeiter*in.
Der Ausstellungstitel SchwesterSchwester zitiert ein Gedicht des Schriftstellers und Lyrikers Ferdinand Schmatz, das dieser einst über eine Skulptur Doujaks geschrieben hatte:
Jetzo sagt Daphne: Der Pfeil der Liebe traf mich, er war aus Blei, aber ich erstarrte nicht zum Guss. So war ich nie auf der Flucht vor dir, Apollon, ich wurde, was ich war, verwurzelt, nach oben strebend. Dort öffne ich die Krone und bin ganz, die Schwesterschwester. Wäre ich halb, kehrte ich um zu dir, der du fliehst, Gott und Kartenleser in einem. Der du dich auflöst in meinem Rauch. Meinen Lippen entwichen, schlummerst du als Nerv wie Herz dennoch in meinem Arm. Er winkt in die Zukunft einer Natur, die ich selbst bin.
Daphnes Verwandlung ist hier nicht Ausdruck der Verzweiflung, sondern der Selbstermächtigung, ein Zeugnis weiblicher Kraft. Das Entrée von SchwesterSchwester bildet ein arabesker Ring aus fleischfarbenen Frauenkörpern, die auf verschiedenste Art ineinander eindringen. Die aus Styrodur geschnitzten Münder, Glieder und Genitalien verschlingen sich und werden so zu einem kollektiven Körper. Doujaks Bildsprache ist mitunter drastisch und doch fühlt man im Umgang der Künstlerin mit ihren Sujets eine gewisse Zärtlichkeit, das Monströse hat etwas Anrührendes, Verletzliches. Ein Ringen kann ein Sich-Umarmen sein. Und eine alte Frau tanzt aufgespießt wie ein Schmetterling in einem Setzkasten. Da ist Schmerz – und da ist Resilienz.“
Text: Ramona Heinlein
Ausstellungsdauer: 14. September – 15. November 2024