Twisted

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Violetta Ehnsperg | Terese Kasalicky

Twisted

Eröffnung: Freitag, 27. September 2024 – 19 Uhr
GALERIE3 Klagenfurt


„TWISTED. Eine Fabulation über Abstraktion und Ornament.

Gewunden, spiralförmig, verbogen, verzerrt, pervertiert, kompliziert, komplex, emotional gestört, unkonventionell, subversiv, unerwartet, beunruhigt, besorgt, unlogisch oder gar trügerisch – dies sind einige der mannigfaltigen Bedeutungen des Wortes ‘Twisted’. Ein Begriff, der sowohl in der physischen als auch in der metaphysischen Welt agiert und in diesem Fall als Knotenpunkt für die verschiedenen und doch verwandten künstlerischen Praxen von Violetta Ehnsperg und Terese Kasalicky dient. Ähnlich, aber nicht gleich, reichen beide Praxen von persönlichen Beobachtungen bis hin zur kulturellen Symbolik. Die Repräsentation bewegt sich in Bereiche der Abstraktion, während die Erzählung beibehalten wird und den Betrachter sanft zur Resonanz zwingt.

Violetta Ehnspergs Werk stellt die Farbe eindeutig in den Mittelpunkt ihrer malerischen Praxis. Sie ist mehr als ein visuelles Werkzeug, sie wird zu einem Material und Medium, um die Leinwand mit Emotionen auszustatten, die reiche innere Welten widerspiegeln. Jeder Pinselstrich, jede Farbnuance wird mit Präzision und Sorgfalt gesetzt, ähnlich wie bei der Dekoration intimer Lebensräume. In ihrer neuen Serie, die sie speziell für diese Ausstellung geschaffen hat, spielt Weiß eine entscheidende Rolle. Ein Farbton, der normalerweise auf Abwesenheit hindeutet oder einen leeren Hintergrund darstellt, tritt in diesem Fall in den Vordergrund und verändert die Art und Weise, wie Tiefe und Struktur innerhalb der Komposition wahrgenommen werden. Ehnspergs Weiß betont, es befreit den Blick und es löst auf. Weiters bedingt die Farbe als Material eine Lesart, die eher auf emotionale Resonanz als auf intellektuelle Analyse setzt. Ehnspergs Malereien sind nicht im Voraus geplant, daher sind Unmittelbarkeit, Dringlichkeit und ein Gefühl des freien Falls charakteristisch für sie. Und auch wenn sie formal abstrakt sind, wollen sie eine Geschichte erzählen, die nur durch die eigene assoziative Energie erschlossen werden kann. Ungeduld und Pragmatismus kollidieren und kulminieren in einem Moment der Befreiung. Ein vielleicht eher unerwarteter Aspekt ist die strenge Kontinuität die die Künstlerin von einem Gemälde zum nächsten wahrt, wobei das erste immer als Ausgangspunkt für das nächste dient und so Derivat auf Derivat schafft, das sich formal und emotional weiter entfaltet und entwickelt.

Terese Kasalickys Praxis hingegen hat sich von der Zeichnung und Malerei hin zu einem skulpturalen Ansatz entwickelt, der beinahe an eine Obsession mit dem Ornament grenzt. Einst essentiell, vor allem an der Schnittstelle zwischen Kunst und Handwerk, wie etwa Gottfried Semper argumentieren würde, hat sein Ansehen spätestens nach Adolf-Loos kontinuierlich abgenommen. Kasalickys Faszination für die Quaste, die oft als nebensächlich abgetan wird, ist ein wiederkehrendes Sujet in ihrem Werk. Für Kasalicky sind Quasten mehr als unmotivierte Accessoires, sie sind mit kultureller und religiöser Bedeutung aufgeladen und verkörpern jahrhundertelange Symbolik und kulturelle Traditionen. Einst in der Heraldik zur Kennzeichnung des Ranges oder im religiösen Kontext als Symbol für spirituelle Autorität verwendet, wird in den Händen der Künstlerin das, was früher sekundär war, zum Primären, das, was früher schmuckhaft war, zu dem, was geschmückt werden soll. Ihr skulptural-minimalistischer Ansatz sowie die reduzierten Farbpaletten stehen im krassen Gegensatz zu den manieristischen und grotesken Ursprüngen der Quaste. Was einst ein Anhängsel war, steht nun im Mittelpunkt und vereinahmt – vielleicht sogar störend – den Raum. Die Seile, die sie für ihre dekonstruierten räumlichen Quasten verwendet, könnten als zweidimensionale Linien verstanden werden, die sich in den dreidimensionalen Raum bewegen. Ein weiterer Gegensatz entsteht zwischen den industriellen und künstlichen Polyamidseilen und dem sorgfältigen manuellen Prozess des Färbens, der eine dauerhafte und glänzende Oberfläche erzeugt, die sowohl organisch als auch künstlich zu sein scheint. Ihre hängenden Skulpturen sind solide im Raum, aber auch flüchtig in ihrer Modularität. Sie können leicht auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt werden, um sich an ihre Umgebung anzupassen und auf sie zu reagieren. Kassalickys Quasten sprechen vom Fetisch der Repräsentation – es ist schließlich eine Form, die religiöse, politische und ästhetische Implikationen hat.

Beide Praxen werden in dieser Ausstellung sowohl buchstäblich wie auch im übertragenen Sinne ineinander verdreht und verschränkt. Dieser Ansatz öffnet den Blick, um über verschiedene Grade und Abstufungen von Abstraktion und Ornamentik zu reflektieren, als einzelne Kategorien aber auch als Spannungsfeld, welches sich zwischen ihnen auftut. Wann wird Abstraktion zu Ornamentik und wie kann ein Ornament abstrahiert werden? Wie bewegen sich Farben, Striche, Linien rein und raus aus den Dimensionen, wie werden sie in den Raum übersetzt, virtuell und physisch? Welchen Einfluss können emotionale Narrative auf die Kulturkritik ausüben und umgekehrt? Well, shake it up, baby, now …shake it up baby! Twist and shout…twist and shout! Come on, come on, come, come on, baby, now…come on baby! Come on and work it on out…work it on out!“

Coiled, spiraled, bent out of shape, distorted, perverted, complicated, complex, emotionally disturbed, nonconventional, subversive, unexpected, worried, troubled, illogical or even fallacious – these are some of the many meanings of the word twisted. A term which operates both in the physical and metaphysical world and in this case serves as a connecting node for the distinct yet related artistic practices of Violetta Ehnsperg and Terese Kasalicky. Similar but not the same their practices depart from personal observations to cultural symbolism. Representation moves into realms of abstraction while sustaining a narrative and softly coercing resonance from the viewer.

Violetta Ehnsperg’s work clearly places colour at the center of her painterly practice. More than a visual tool it transforms into a material and medium to furnish the canvas with emotions reflecting rich inner worlds. Akin to the process of decorating one’s intimate habitat, every stroke, brush, shade of colour is placed with precision and care. In her new series created specifically for this exhibition white occupies a critical role. A shade usually denoting the absence of something or an empty background white comes in this case to the foreground creating a twist in how depth and structure are perceived within the composition. Ehnsperg’s white highlights, it frees the gaze and it undoes. Colour used as a material elicits a reading through emotional resonance rather than intellectual analysis. Ehnsperg’s paintings are not premeditated, hence immediacy, urgency and a sense of free fall are characteristic to them and even if they are formally abstract they want to tell a story that can only be accessed and unlocked through one’s own associative energy. Impatience and pragmatism collide into a moment of liberation. Perhaps more unexpected is a consistent continuity from one painting to the next, where the former always serves as a point of departure for the next thus creating derivative upon derivative formally and emotionally unfolding and evolving.

Terese Kasalicky’s practice on the other hand has moved from initially drawing and painting into a sculptural approach that borders on the obsession with the ornament. Once essential, especially at the intersection of arts and craftsmanship, as Gottfried Semper would argue, its reputation has continually dwindled at the latest post-Adolf-Loos. Her fascination with the tassel, often dismissed as secondary is a recurring theme in her work. To Kasalicky tassels are more than unmotivated accessories, they are charged with cultural and religious significance, embodying centuries of symbolism and cultural traditions. Once used in heraldry to denote rank, or in a religious context to symbolize spiritual authority in the artists hands what used to be secondary becomes primary, what used to be decorative becomes what is to be decorated. Her sculpturally minimalist approach as well as the reduced colour palettes stand in stark opposition to the manneristic and grotesque origins of the tassel. What was once an appendix is now at center stage inhabiting – maybe even disrupting – space. The ropes she uses in her deconstructed spatial tassels could be understood as two-dimensional lines moving into three-dimensional space. Another opposition arises between the industrial and artificial polyamide ropes and the careful manual process of dying, creating a durable and shiny finish that seems to be both organic and artificial. Her hanging sculptures are solid when in space but also ephemeral in their modularity. They can easily be taken apart and reassembled in order to adapt and respond to their environments. Kassalicky’s tassels speak of the fetish of representation – as it is a form that speaks of religious, political and aesthetic implications.

Both practices are literally and figuratively twisted into one another in this exhibition. This proposition opens up the gaze to consider various degrees and gradients of abstraction and ornamentation individually but also as a field of tension created between them. When does abstraction become ornamentation and how can an ornament be abstracted? How do colours, strokes, lines move in and out of dimensions, how are they translated into space, virtual and physical? How much influence can emotional narratives exert on cultural critique and vice versa? Well, shake it up, baby, now …shake it up baby! Twist and shout…twist and shout! Come on, come on, come, come on, baby, now…come on baby! Come on and work it on out…work it on out!

Text (de/en): Laura Amann, 2024

Ausstellungsdauer: 28. September – 16. November
GALERIE3 Klagenfurt

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