Nina Rike Springer
Cut Me Some Slack
Im Kabinett: Michael Kravagna
Eröffnung: Freitag, 25. April 2025 – 19 Uhr
Die Künstlerin ist anwesend.
Die Ausstellung „Cut Me Some Slack“ zeigt meine neue Werkserie, in der Figuren in einem Schwebezustand zwischen Vergangenheit und Zukunft, zwischen Bewegung und Stillstand existieren. Sie befinden sich in einer Zwischenwelt, losgelöst von Raum und Zeit, gehalten von klaren geometrischen Formen. Diese Figuren verkörpern Momente des Innehaltens, eine Phase des „Noch nicht“ oder „Nicht mehr“ – einen Zustand der Erwartung, in dem alles möglich erscheint.
Meine Protagonisten entziehen sich den Zwängen des Alltags und treiben scheinbar ziellos dahin, als befänden sie sich in einem Wartezustand. Ihre Zukunft bleibt ungewiss, sie sind weder festgelegt noch definiert. In dieser Schwebephase oszillieren sie zwischen Möglichkeit und Unentschiedenheit, zwischen Kontrolle und Hingabe. Ihr Dasein reflektiert das Warten, den Wandel und die Transformation.
Ein wesentliches Element meiner Arbeit ist die Wechselwirkung zwischen menschlicher Figur und digital geschaffenen Umgebungen. Die klaren, geometrischen Formen, in die sich meine Figuren einfügen, wirken einerseits schützend, andererseits distanziert und unnahbar. Sie verstärken die Ambivalenz zwischen Bindung und Isolation, zwischen Eingliederung und Widerstand. Diese Szenarien spiegeln die Absurditäten und Herausforderungen unseres modernen Lebens wider: das Streben nach Individualität inmitten gesellschaftlicher Erwartungen, das Balancieren zwischen persönlichen Sehnsüchten und kollektiven Zwängen.
Die Figuren interagieren mit ihrer Umgebung, versuchen sich anzupassen, doch ihre Haltung bleibt stets ironisch gebrochen. Die Perfektion der digitalen Formen kontrastiert mit der menschlichen Imperfektion – ein Spiel zwischen Struktur und Chaos, zwischen kühler Konstruktion und emotionaler Tiefe.
Parallel zu meinen skulpturalen Arbeiten präsentiere ich eine Sammlung animierter Sequenzen, die als „Trickadell“ zusammengefasst werden. Diese Animationen werden in variablen Kombinationen gezeigt, ohne einer festen Anordnung zu folgen, sodass sie immer wieder neu erfahrbar sind. Hierbei dient die Animation als Erweiterung meiner fotografischen Arbeit – als spielerische Inszenierung, die es mir ermöglicht, meine Ideen in einer bewegten, filmischen Form zu transportieren.
Ergänzt wird die Ausstellung durch Fotografien und kleine Skulpturen. Die Kombination dieser verschiedenen Medien schafft ein vielschichtiges Erleben meiner künstlerischen Auseinandersetzung mit menschlichen Strukturen und deren surrealen Momenten. Jedes Medium bietet eine eigene Perspektive auf die zentralen Themen meiner Arbeit und lädt dazu ein, die unterschiedlichen Facetten des Menschseins zu erkunden.
Ich arbeite nach meiner persönlichen Wahrnehmung und Vorstellung von menschlichen Strukturen. Dem Alltäglichen entnommene Gesten, Aspekte der Körpersprache, Objekte und Räume setze ich miteinander in Beziehung, um surreale Momente zu erzeugen. Prozesse, die gemeinhin als banal oder zweckgebunden wahrgenommen werden, interpretiere ich als Dokumentation individueller Befindlichkeit, losgelöst von ihrer ursprünglichen Funktion. So kritisch ich der Kommerzialisierung menschlicher Zusammenhänge gegenüberstehe, so sehr sehe ich in der Kunst die Möglichkeit eines visuellen Dialogs.
„Cut Me Some Slack“ fordert Nachsicht – für Künstler*innen, die sich mit ihrer Arbeit öffnen, für uns selbst und für unseren Umgang miteinander. Kunst hat die Aufgabe, offenzulegen, was in der Welt passiert – die Härte, die Widersprüche, aber auch die Schönheit. In einer Zeit, in der Perfektionismus dominiert und schnelle Urteile gefällt werden, erinnert uns der Titel daran, milde zu sein: mit uns selbst, mit anderen und mit der Welt, die wir durch Kunst reflektieren und hinterfragen. Letztlich geht es um grundlegende psychologische Bedürfnisse: Bindung, Autonomie, Kontrolle und Selbstwert. Die Kunst wird zur Reflexionsfläche für die Unsicherheiten und Möglichkeiten des Menschseins. Was bedeutet es, zu warten? Was geschieht in der Schwebe zwischen zwei Entscheidungen? In der Ambivalenz von Bewegung und Stillstand liegt eine besondere Kraft – eine Einladung, die Poesie des Unbestimmten zu erkennen und das Schöne im „Noch nicht“ zu entdecken.
Text: Nina Rike Springer