Iris Kohlweiss
Die Haut der Dinge
Eröffnung: Freitag, 26. September 2025, 19 Uhr
Im Kabinett: Peter Krawagna | Suse Krawagna | Michael Kravagna
geöffnet im Rahmen der ORF Langen Nacht der Museen:
Samstag, 4. Oktober – 18 bis 24 Uhr
(kein Ticket notwendig)
Vor rund fünf Jahren hat Iris Kohlweiss, die bei Christian Ludwig Attersee Malerei studiert hat, einen Quantensprung in ihrem künstlerischen Schaffen gemacht. Sie hat sich nicht nur dem Medium Zeichnung zugewandt, sondern auch begonnen, sich theoretisch und künstlerisch mit Raumwahrnehmungen und Raumempfindungen auseinanderzusetzen. Dabei hat sie in den kurzen Jahren eine originäre Bildsprache entwickelt, die eine so komplexe wie poetische Raummetaphorik hervorgebracht hat. Kunsthistorisch verknappt könnte man ihre Herangehensweise als Synthese von Maria Lassnigs Körpergefühlsbilder und Hilma af Klints Visualisierungen einer geistigen Dimension verorten. Die „Realm Translations“, wie Kohlweiss ihre damals begonnene Serie der „Raumübertragungen“ nennt, sind nicht nur vorläufiger Höhepunkt ihres künstlerischen Schaffens, sondern zollen auch ihrer lebenslangen Faszination für Räume und deren spezifische Atmosphären Rechnung. Doch nichts auf den Zeichnungen scheint auf den ersten Blick auf bestimmte Räume zu verweisen. Die Struktur der Komposition hat keinen Bezug zum jeweiligen Grundriss, noch spiegeln die Formen charakteristische Elemente des jeweiligen Raumes. Die fein nuancierte Farb- und Formensprache der Künstlerin führt also über das hinaus, was wir als unmittelbare Realität ansehen würden.
„Raum“ wird seit dem „Spatial Turn“ oder der „topologischen Wende“ nicht mehr als kartesianische Kiste begriffen, sondern als sozio-kulturelle Größe, als Möglichkeitsfeld, das durch unsere Wahrnehmungen und Handlungen gestaltet wird. Nun ist ein Raum natürlich physisch vorhanden, aber was wir für real halten, hängt stark von unserer persönlichen Deutung ab, von unserem Wissen, unseren Erfahrungen und natürlich den kulturellen Prägungen unserer Wahrnehmung. Kohlweiss versteht den Raum daher nicht als etwas Gegebenes, sondern als relationales Feld, d.h. Raum wird für sie nicht nur mit Körper und Geist wahrgenommen und durch den Leib erfahren, sondern durch unsere Wahrnehmung erst wesentlich konstituiert. Diese Raumwahrnehmungen, die zugleich Raumkonstruktionen sind, sind nun Ausgangspunkt für ihre symbolischen Raum-Repräsentationen, die sie selbst kürzlich als „Wahrnehmungsfelder“ bezeichnet hat. Die Künstlerin legt zahlreiche, zart aufgetragene Farbstiftebenen übereinander, die als Körpergefühl, geistige Vorstellung und leibliche Wahrnehmung eine abstrakt-metaphorische Form hervorbringen. Kohlweiss verdichtet nicht nur unterschiedliche Wahrnehmungsebenen zu einem Bild, sondern macht den Prozess der Wahrnehmung per se zum Thema.
In der GALERIE3 präsentiert die Künstlerin nun ihre neusten Arbeiten unter dem Titel „Die Haut der Dinge“. Neben aktuellen Zeichnungen aus dem weiten Feld ihrer „Realm Translations“ kündet die Serie der „Excerpta“ auch von ihrer Rückkehr zur Malerei. Auf zum Teil großformatigen Leinwänden sind Formationen zu sehen, die wie Auszüge aus ihrem komplexen zeichnerischen Kosmos erscheinen. Aus den offenen Wahrnehmungsfeldern sind semantische Formen geworden, die das vagierende und fließende der Zeichnungen in klare Konturen und einheitliche Flächen transformieren. Im Titel spricht Kohlweiss von der Haut der Dinge und verweist damit einerseits auf die klaren und einfachen Formen ihrer neuen Arbeiten, die dem Gegenständlichen entsprechen. Andererseits betont sie die Haut als Kontaktebene zwischen Raum und Körper, denn über die Haut berühren wir und werden wir berührt und nehmen Raum bewusst und unbewusst wahr. Mit dem Bild der Haut als Membran, die abgrenzt und vermittelt, betont die Künstlerin nochmals die Schwelle zwischen Innen und Außen, Sichtbarem und Unsichtbarem, Realem und Imaginären, das ihr Werk durchzieht.
Der französische Philosoph Gaston Bachelard hat in seiner „Poetik des Raumes“ das Bild vom Ich als einem Raum aus durchlässigen Mauern begründet. Seit Hans Belting und seiner „Bild-Anthropologie“ wissen wir, dass der Körper der wahre Ort der Bilder ist. Die Werke von Iris Kohlweiss versinnbildlichen auf herausragende Weise die Durchlässigkeit der Raumgrenzen, die wechselseige Durchdringung von Körperraum und Umraum, das Flottieren der Bilder und die Verschmelzung des Realen mit dem Imaginären in einer Sphäre des Poetischen.
Text: Roman Grabner, 2025
Iris Kohlweiss (*1979, Wolfsberg) studierte Malerei an der Universität für Angewandte Kunst Wien (Klasse Attersee), sowie experimentelle Weberei an der University of Art and Design in Derby (UK). Ihre Werke sind unter anderem in den Sammlungen des Museum Moderner Kunst Kärnten, der Sammlung des Landes Niederösterreich, der Artothek des Bundes, im Museum Angerlehner und in den Sammlungen der Kärntner Sparkasse sowie der ÖBV Wien vertreten.
Ausstellungsdauer: 27. September – 8. November 2025